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Pensées et images, critiques et poésies, impressions et nostalgie, le tour du monde intérieur à la recherche des souvenirs perdus et retrouvés. Une porte ouverte au monde surréel, à l'alliance des sensations et des émotions, des correspondances de la vie avec les impressions du coeur.

„Der Turm“ von Hugo von Hofmannsthal im Münchner Residenztheater

Ein Abend, der unter die Haut geht. Denn wie man es auch dreht und wendet – es gibt irgendwie kein Entrinnen. Das Schicksal, das Unglück ist da. Ob im Turm eingesperrt oder im Turm einsperrend. Und darin liegt irgendwie die Aktualität von Hugo von Hofmannsthal Drama, das Nora Schlocker (Regie) mit sparsamen und dadurch umso eindrücklicheren Mitteln auf die Bühne (Irina Schickedanz) des Residenztheaters gebracht hat.

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

Wo ist die Welt? Diese Frage steht wie ein Motto über dem ganzen Abend. Wo ist die Welt und welchen Platz habe ich in ihr? Ich, der König (Michael Goldberg), ich, sein Sohn (Lisa Stiegler), ich, die Hofgesellschaft, ich, der Arzt (Thiemo Strutzenberg), ich, die Möchtegerns, ich, die Gedanken, die Träume, die Wünsche, die Verletzungen, die ich erleide, die Verletzungen, die ich anderen zufüge.

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

Raum ist für all diese Fragen im Residenztheater auf einer eher leeren Bühne, in deren Mittelpunkt ein eingesperrtes Wesen zu sehen ist: Sigismund, der Sohn von König Basilius, den sein Vater in einen Turm einsperren lassen, weil man ihm prophezeit hat, dass ihm sein Sohn nach dem Leben trachten wird.

Da hängt dieses arme Wesen seit 22 Jahren sozusagen zwischen den Seilen, betreut von Julian, dem Gouverneur des Turmes (Katja Jung), der den mutterlosen Knaben zumindest mit Bildungsgütern wie Lesen und Sprechen und der lateinischen Sprache ausgestattet hat. Da kümmert dieses arme Wesen ansonsten vor sich hin, ausgesetzt einer Wirklichkeit, die von Egomanen und deren Herrschaftsgedanken und Unterdrückungsimpulsen, von Gewalt und Krieg geprägt ist und letztlich die Gewalttäter zu Verlierern macht und Sigismund nach vielen qualvollen Ereignissen auf den Thron setzt und seinem Vater den Tod beschert.

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

Die Regisseurin hat den Mut zur kargen Inszenierung, in der die Ver-deutlichung von Unmenschlichkeit und Brutalität im Mittelpunkt steht, nur die Kostüme (Bettina Werner) schwelgen geradezu in Maßlosigkeit – das weiße Tütü von König Basilius erschließt sich nicht ganz ebenso wenig wie die Sahnerolle aus Silberhaar auf seinem Kopf. Ein etwas missglückter Versuch, die Maßlosigkeit von Herrschern zu visualisieren.

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

„Woher so viel Gewalt“ ist deshalb auch ein Schlüsselsatz für das ganze Stück, wenn Sigismund und Basilius aufeinandertreffen. Und man ver-steht sehr bald sehr gut, dass die Menschen nicht miteinander sprechen sondern eigentlich immer nur mit sich selbst reden. Dazu passt, wenn Basilius sagt “Die Welt ist außer Rand und Band“ – denn da hilft nur die Herrscherattitüde, die ihm eigen ist. Der Zwang zur Unterwerfung.

 

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

Diese Mischung aus politischem Gerangel um Machtpositionen, in dem das einzelne Leben, das Individuum keine Rolle mehr spielt, hat Hugo von Hofmannsthal auf den Punkt gebracht und in dem Schicksal von Sigismund sichtbar gemacht, sozusagen versinnbildlicht: diese Mischung aus Verbannung, Befreiung, Verurteilung, Todesstrafe in der Sigismund hin und her schwebt, ja taumelt. Und die zum Schluss seinen Vater tödlich trifft.

 

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

Diese Gegenüberstellung eines Machtbonzen – denn König Basilius ist ein gnadenloser Machtmensch, ausgestattet mit einem aalglatten Ego, versteckt in seinem federleichten Outfit – und einer ihm ausgelieferten Kreatur, sein Sohn Sigismund, das Häufchen Elend im Turm. Und dann noch der aufmuckende Wachkommendant Olivier (Valentino dalle Mura).

 

(c) Birgit Hupfeld

(c) Birgit Hupfeld

Hugo von Hofmannsthal hat „Der Turm“ in Anlehnung an einer Vorlage konzipiert: „Das Leben ein Traum“ von Calderón de la Barca, wo es auch um die Diskrepanz zwischen der Macht des Schicksals und dem freien Willen geht und um die Tragik, die daraus resultiert. Diese Konfrontation von Macht und Ohnmacht erscheint angesichts der momentanen Weltlage geradezu hyperaktuell.  Ein Mensch wird eingesperrt, Menschen werden eingesperrt, der Machtapparat um sie herum ist brutal und autoritär. Hugo von Hofmannsthal zeigt so etwas wie eine Entmenschlichung. Im Darstellen seiner Zeit beschreibt er in Anlehnung an Gedanken aus dem 17. Jahrhundert auch die unsrige und irgendwie bleiben bei aller Tragik und Trostlosigkeit wie ein Hoffnungsschimmer auch Gedanken zum Maßhalten im Raum stehen.

Ein gelungenes Experiment, denn Sigismund ist so etwas wie die Verkörperung von Unterdrückung und Basilius der gnadenlose abergläubisch verblendete Unterdrücker, der den freien Blick auf die Wirklichkeit scheut, ja förmlich verbietet. Ein leider bekanntes Phänomen, dem jede Aufklärungsarbeit guttut, auch auf dem Theater.

 

 

 

 

 

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